Schluss mit dem Mythos vom perfekten Erstentwurf: Es lebe die Salamitaktik!

veröffentlicht am 9. Februar 2012, abgelegt unter Schreiben, Schreibprozess

Wenn Sie sich mal wieder blockiert beim Schreiben fühlen, könnte es daran liegen, dass Sie zu viel auf einmal wollen.

Schreiben bedeutet: brillante Ideen schlüssig strukturiert, stilistisch perfekt, verständlich und maximal leserwirksam sowie grammatikalisch-orthographisch korrekt zu Papier zu bringen – das alles auf einmal und ohne Hilfe! Soweit zum Mythos, der leider immer noch tief in unserem Denken wurzelt und uns regelmäßig den Schreibflow versagt.

Schreiben ist, natürlich auch abhängig von der Textsorte, ein äußerst komplexer Prozess, der die unterschiedlichsten Anforderungen an unser Gehirn stellt – kreativ sein, logisch strukturieren, korrekt schreiben, die Leser im Blick haben und und und. Wer diese Anforderungen alle gleichzeitig erfüllen möchte, darf sich über Schreibprobleme und -hemmungen nicht wundern. Fakt ist: Dass jemand einen längeren Text auf Anhieb druckreif schreibt, kommt sehr selten vor. Machen wir es uns deshalb leicht und gehen, so wie wir das bei allen anderen Projekten längst auch tun, in kleinen Schritten, also scheibchenweise vor. Die Salami im Ganzen zu essen, macht Bauchschmerzen, genau wie der Versuch, den perfekten Text auf Anhieb zu fabrizieren. In Scheibchen wird beides leichter verdaulich.

Für das Schreiben empfiehlt sich: Sammeln und notieren wir zuerst einmal unsere Ideen „in die Tüte“, entwerfen sodann eine grobe Gliederung, erstellen wir erst danach eine stilistisch und orthographisch gern mangelhafte Rohfassung, der dann eine Verfeinerung der Struktur folgen kann. Anschließend holen wir uns vielleicht Feedback dazu, um den Text daraufhin sprachlich zu überarbeiten und abschließend zu korrigieren. So oder so ähnlich.

Wenn wir uns auf diese Weise durch den Schreibprozess hangeln, hat das einen wunderbaren Effekt: Wir entlasten unseren „Arbeitsspeicher“, indem wir uns schwerpunktmäßig immer nur einer Anforderung widmen und weitere Aspekte getrost auf spätere Phasen verschieben. Das ist gut gegen „Bauchschmerzen“.

Und es entspricht der Arbeitsteilung in unserem Gehirn: Die rechte Hemisphäre bietet uns eine andere Perspektive auf die Welt als die linke. Vereinfacht ausgedrückt, sehen wir mit der rechten Hälfte unser Thema als Bild in seiner Ganzheit, mit allen Facetten und Verknüpfungen. Hier generieren wir unsere Ideen dazu. Die linke Gehirnhälfte dagegen fokussiert auf die Details, auf die Logik der Struktur. Sie ist auf Korrektheit und Perfektion geeicht. (Empfehlenswert dazu dieses Video: http://www.youtube.com/watch?v=dFs9WO2B8uI&feature=player_embedded) Für einen guten Text brauchen wir am Ende beide Sichtweisen. Aber der Versuch, diese gleichzeitig einzunehmen, führt zu wechselseitigen Blockierungen, weil wir unsere Ideen zensieren oder unsere Struktur immer wieder mit neuen Einfällen untergraben. Am Ende sehen wir weder den Wald noch die Bäume. Die Lösung für das Schreiben: am Anfang aus dem Vollen schöpfen. Sammeln, was im Kopf auftaucht an Bildern, Ideen, Gedanken, auch wenn sie noch so abseitig wirken und schräg. Das Beurteilen, Bewerten und Feinstrukturieren, das Streben nach Perfektion in spätere Phasen verschieben. Jede Hemisphäre für sich zu ihrem Recht kommen lassen. So vermeiden wir die Blockierungen und überwinden unsere Angst vor dem leeren Blatt, oder vor dem unperfekten ersten Satz.

Konkret bedeutet das: Machen Sie sich einen Ablaufplan mit den wesentlichen Schreibphasen. Bei mir sieht der ungefähr so aus:

  1. Anfangen
  2. Ideen sammeln
  3. Grob strukturieren
  4. Rohtexten
  5. Struktur verfeinern
  6. Feedback
  7. Überarbeiten
  8. Korrigieren
  9. Fertig!

Wie gliedert sich der Schreibprozess bei Ihnen? Welche Phasen erkennen Sie und in welcher Reihenfolge laufen diese ab? Machen Sie vielleicht die Feinstruktur schon vor dem Rohtexten oder lassen Sie gern schon mal jemanden Ihre Gliederung absegnen, bevor Sie sich an die Rohfassung wagen? Schreiben Sie es auf, für sich und gerne auch hier in Ihrem Kommentar. Und dann legen Sie los – aber immer schön scheibchenweise!

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